Am 1. April 2020 sind die Änderungen im Schweizer Urheberrechtsgesetz (URG), welche vom Parlament im September letzten Jahres nach langer Vorarbeit verabschiedet wurden, in Kraft getreten. Die Gesetzesrevision bezweckt in erster Linie eine Anpassung des URG an das Internetzeitalter. Im Fokus der Revision standen Kompromisslösungen zur Stärkung und Durchsetzung der Rechte der Urheberin und des Urhebers in verschiedenen Bereichen unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Interessen der Öffentlichkeit an einer unkomplizierten und angemessenen Nutzung – insbesondere hinsichtlich des Internets.
Der vorliegende Beitrag zielt darauf ab, der Leserin und dem Leser einen kurzen und zugänglichen Überblick über den neu eingeführten Lichtbildschutz zu verschaffen und so auf diese sensible Thematik aufmerksam zu machen.
Sind Google-Bilder tabu?
Gemäss dem bisherigen Schweizer Urheberrecht waren nur Fotografien als eigentliche «Werke» rechtlich vor unbefugten Zugriffen und Verwendungen jeglicher Art geschützt. Als Werk im Sinne des Urheberrechts gilt jegliche Schöpfung, bei der ein kreativer Spielraum besteht und dieser auch genutzt wird. Gemäss der Rechtsprechung kann die vorausgesetzte Kreativität im Falle von Fotografien unter anderem durch die Wahl des Winkels, der Belichtung oder anderer Einstellungen bzw. fotografischer Techniken erreicht werden. Generische Fotografien (bspw. einer landschaftlichen Szenerie) genossen deshalb bis anhin keinen urheberrechtlichen Schutz und konnten von Jedermann ohne Weiteres verwendet werden, so z.B. in den sozialen Medien als Profilhintergrundbild.
Derlei Verhalten dürfte fortan nicht mehr zulässig sein. Seit der Revision und der Einführung des Lichtbildschutzes sind sämtliche fotografische Wiedergaben dreidimensionaler Objekte den eigentlichen «Werken» gleichgestellt. Dies auch wenn sie keine im vorherigen Sinne genannten kreativen Schöpfungen darstellen. Fotografien ohne solchen individuellen Charakter können vielfältig sein. Darunter fallen z.B. alltägliche Familien- und Urlaubsfotos oder Produktbilder. Ebenfalls unter den Lichtbildschutz fallen der Fotografie ähnliche Erzeugnisse, bei denen ein Bild unter Benutzung strahlender Energie erzeugt wird. Als Beispiel seien hier Bilder genannt, die durch Infrarot- oder Röntgenstrahlen entstehen. Aber auch Einzelbilder aus visuellen und audiovisuellen Werken (wie z.B. des Stils eines Filmes) werden vom Anwendungsbereich des Lichtbild-schutzes erfasst. Nicht geschützt hingegen sind Fotografien, welche zweidimensionale Objekte wiedergeben. Somit werden Fotokopien von Texten und anderen zweidimensionalen Darstellungen nicht vom neu eingeführten Lichtbildschutz umfasst. Unklar bleibt, wie mit Grenzfällen umzugehen ist. So stellt sich die Frage, ob eine frontale Aufnahme eines dreidimensionalen Objektes, die dadurch wiederum zweidimensional wirkt, unter diese Neuregelung fällt.
Die Neuregelung hat zur Konsequenz, dass fremde Fotografien (bspw. über eine Suchmaschine heruntergeladen) nicht mehr ohne die Zustimmung der Urheberin oder des Urhebers – oder von diesem wiederum Berechtigte – verwendet werden dürfen (wie hochladen und zugänglich machen der Fotografien auf Social Media/Webseite/Newsletter). Wenn also künftig fremde Fotografien verwendet werden sollen, müssen diese entweder über die Urheberin oder den Urheber oder aber eine Verwertungsgesellschaft bezogen werden. Ein Nutzungseinverständnis ist erforderlich.
Von der besagten Nutzungsrestriktion ausgenommen ist die Verwendung von Fotografien durch natürliche Personen zum Eigengebrauch. Dazu zählt neben der Verwenderin und dem Verwender ein enger Kreis an Freunden sowie Familie. Diese Schrankenregelung wird aber keineswegs extensiv ausgelegt, weshalb gerade im Bereich der online Medien nur kleine und geschlossene Gruppen davon profitieren dürften.
Schutzdauer
Der Urheberrechtsschutz für die von der Neuregelung umfassten Lichtbilder dauert 50 Jahre ab dem Schöpfungsakt und ist damit wesentlich kürzer als diejenige für die eigentlichen «Werke», denen ein gesetzlicher Schutz von 70 Jahren nach dem Tod der Urheberin oder des Urhebers zustehen. Nicht nur erscheinen beide Schutzfristen angesichts der Schnelllebigkeit der heutigen Zeit absurd lange, sondern sie betonen zusätzlich die Notwendigkeit der schwierigen Abgrenzung zwischen Fotografien mit Werkcharakter und generischen Fotografien.
Übergangsbestimmung
Dank der Übergangsbestimmung dürfen Fotografien, die bereits vor dieser Revision verwendet wurden und zu jenem Zeitpunkt nicht urheberrechtlich geschützt waren, also generische und nicht besonders individuelle Aufnahmen, in derselben Art und Weise weiterverwendet werden – jedoch nicht anders. Somit ist es bspw. erlaubt, eine auf Facebook bereits hochgeladene fremde Fotografie weiterhin auf der Seite zu belassen. Nicht erlaubt wäre es jedoch, dasselbe Bild auf einem anderen Social Media Kanal hochzuladen.
Kritische Würdigung
Das Bestreben des Bundesrates bestand darin, mit dem Lichtbildschutz die Rechtsicherheit zu verstärken und Fotografinnen und Fotografen besser zu schützen, um so einen zusätzlichen Anreiz für die Fotografie-Branche zu schaffen.
Jedoch waren bereits vor der Neuregelung die Anforderungen an den Werkcharakter von Fotografien tief. Vermochte der Fotograf ein Minimum an Fertigkeiten und Kreativität nachzuweisen, galt die Fotografie schon unter der alten Regelung als Werk. In diesem Sinne hat die Revision nur insofern zur Rechtsicherheit beigetragen, als nun sämtliche Fotografien geschützt sind. Die Schwierigkeit in Bezug auf die eingangs dargelegte Unterscheidung bleibt jedoch aufgrund der divergierenden Schutzdauern bestehen. Diese sind im Übrigen ohnehin fragwürdig, da sie mit der heutigen Schnelllebigkeit nicht mehr vereinbar und ökonomisch kaum gerechtfertigt sind.
Wichtige Fragen und Anpassungen blieben derweil unbeantwortet bzw. ausgelassen. So stellt sich das modernisierte Urheberrechtsgesetz nicht den Herausforderungen, die sich im Umgang mit Erzeugnissen «künstlicher Intelligenz» stellen. Es bleibt ungeklärt, ob nun die Programmiererin oder der Programmierer, eine allfällige Nutzerin oder allfälligen Nutzer oder eine andere beteiligte Person Urheberin resp. Urheber ist. Insofern bleibt fraglich, ob genügend Anreize bestehen, solche intelligenten Systeme zu produzieren, deren Erzeugnisse ihrerseits unter Umständen keinen Schutz geniessen.
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