Am 19. Mai 2019 hat das Schweizer Stimmvolk das Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) angenommen und somit den Kantonen die Möglichkeit eingeräumt, Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich zu entlasten. Gestützt auf STAF können die Kantone seit dem 1. Januar 2020 für den Forschungs- und Entwicklungsaufwand, der im Inland angefallen ist, fakultativ einen zusätzlichen Abzug von maximal 50% bei der kantonalen und kommunalen Gewinnsteuer vorsehen. Auf Bundesebene wird kein zusätzlicher Abzug gewährt.
Sofern die Kantone den Zusatzabzug für Forschungs- und Entwicklungsaufwand in ihre Steuergesetze aufnehmen, müssen sie Art. 25a des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) beachten. Neben juristischen Personen mit Sitz oder tatsächlicher Verwaltung in der Schweiz und selbständig erwerbenden Steuerpflichtigen können auch Schweizer Betriebsstätte ausländischer Gesellschaften den Zusatzabzug beanspruchen.
Forschungs- und Entwicklungsbegriff nach Art. 25a StHG
Bezüglich der Begriffe Forschung und Entwicklung verweist Art. 25a Abs. 2 StHG auf Art. 2 des Bundesgesetzes über die Förderung der Forschung und Innovation (FIFG), wobei die Begriffe "Forschung und Entwicklung", "wissenschaftliche Forschung" und "wissenschaftsbasierte Innovation" gleichbedeutend sind. Des Weiteren unterteilt das FIFG die wissenschaftliche Forschung in zwei Gruppen, nämlich in die Grundlagenforschung und in die anwendungsorientierte Forschung. Die Grundlagenforschung dient primär dem Erkenntnisgewinn, wohingegen die anwendungsorientierte Forschung praxisbezogene Problemlösungen erarbeitet. Somit beinhaltet wissenschaftliche Forschung fünf kumulativ erforderliche Grundsätze:
- die Gewinnung von neuen Erkenntnissen;
- auf originären, nicht offensichtlichen Konzepten und Hypothesen beruhend;
- Ungewissheit bezogen auf das Endergebnis;
- einem Plan folgend und budgetiert;
- zu Ergebnissen führend, die reproduzierbar sind.
Bei der wissenschaftsbasierten Innovation steht die Entwicklung neuer Produkte, Verfahren, Prozesse und Dienstleistungen für Wirtschaft und Gesellschaft durch Forschung, insbesondere anwendungsorientierte Forschung, und die Verwertung ihrer Resultate im Vordergrund. Folglich muss die Innovation das Ergebnis von wissenschaftlicher Forschung sein und die oben genannten Grundsätze der Forschung zwingend erfüllen, um unter das FIFG subsumiert werden zu können.
Aufwendungen für die Markteinführung und -verwertung fallen nicht unter den Forschungs- und Entwicklungsbegriff nach Art. 25a StHG und qualifizieren somit nicht für den Zusatzabzug für Forschung und Entwicklung. Unter Aufwendungen für die Markteinführung fallen jegliche Massnahmen für die Marktbearbeitung im Zusammenhang mit Produkten, Dienstleistungen und Innovationen aller Art und die damit verbundenen vor- und nachgelagerten Aufwendungen. Demgegenüber gehören Massnahmen in Bezug auf den Verkauf oder Handel von Grundlagenforschung, Forschungsergebnissen, Innovationen und Technologien sowie Produkten und Dienstleistungen zu den Aufwendungen für die Marktverwertung.
An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass es wünschenswert ist, wenn die kantonalen Steuerbehörden den Begriff der Forschung und Entwicklung möglichst breit auslegen, um der vom Gesetzgeber angestrebten inländischen Innovationsförderung gerecht zu werden.
Berechnungsgrundlage
Auf Antrag können die Kantone Forschungs- und Entwicklungsaufwand, welcher der steuerpflichtigen Person direkt oder durch Dritte im Inland indirekt entstanden ist, um höchstens 50% über den geschäftsmässig begründeten Forschungs- und Entwicklungsaufwand hinaus zum Abzug zulassen.
Bei Eigenaktivitäten ist auf den direkt zurechenbaren Personalaufwand abzustellen. Dabei ist der Lohn- und Sozialversicherungsaufwand massgebend. Hinzu kommt ein Zuschlag von 35% dieses Personalaufwands. Damit werden die übrigen Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen wie beispielsweise Mietanteile und Infrastrukturkosten sowie der Aufwand für bestimmte Forschungsinstrumente oder -geräte pauschal abgegolten, wobei der gesamte Forschungs- und Entwicklungsaufwand des Unternehmens nicht überschritten werden darf.
Wird die Forschung im Inland in Auftrag gegeben, so ist der erhöhte Abzug im Umfang von 80% des vom Auftragnehmer fakturierten Betrags zulässig. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Auftragsforschung von Konzerngesellschaften oder von unabhängigen Dritten ausgeführt wird. Allerdings ist zu beachten, dass dem Auftragnehmer kein Abzug zusteht, wenn der Auftraggeber der Forschung und Entwicklung abzugsberechtigt ist.
Für jede Steuerperiode muss der qualifizierende Zusatzabzug für Forschung und Entwicklung neu berechnet und belegt werden, wobei das gesetzlich festgelegte Berechnungskonzept nicht zu kompliziert ist, so dass der Zusatzabzug für viele KMU im Einzelfall eine attraktive Steuerersparnismöglichkeit darstellen kann.
Kantonale Umsetzung
Wie bereits erwähnt, ist die Einführung eines Zusatzabzugs für Forschungs- und Entwicklungsausgaben nach Art. 25a StHG für die Kantone fakultativ. So hat zum Beispiel der Kanton Basel-Stadt darauf verzichtet, einen solchen zusätzlichen Abzug in ihr Steuergesetz aufzunehmen. In den meisten anderen Kantonen aber – darunter Zürich, Zug, Aargau und Solothurn – profitieren die Unternehmen von einem Zusatzabzug von bis zu 50% über den geschäftsmässig begründeten Aufwand hinaus.
Verhältnis zur Patentbox
Die Patentbox nach Art. 24a und 24b StHG entlastet steuerlich den Gewinn aus Patenten und vergleichbaren Rechten. Im Gegensatz dazu werden mit dem Zusatzabzug für Forschungs- und Entwicklungsaufwand die Aufwendungen für Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Inland einer steuerlichen Begünstigung zugeführt.
Wird der Zusatzabzug für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen beansprucht, so schliesst dies die spätere Geltendmachung der Patentbox nicht aus. Allerdings sind die bereits in den vorangehenden Jahren geltend gemachten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen einschliesslich Zusatzabzug beim Eintritt in die Patentbox als Gewinn zu besteuern. Auf welche Art und Weise und zu welchem Zeitpunkt die Kantone die Besteuerung der bereits geltend gemachten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen einschliesslich Zusatzabzug beim Eintritt in die Patentbox sicherstellen wollen, ist ihnen überlassen.
Bei gleichzeitiger Inanspruchnahme der Patentbox und des Zusatzabzugs für Forschungs- und Entwicklungsaufwand ist dieser auf die verschiedenen Patentboxen anteilig aufzuteilen. Der Restbetrag, der keinem Patent zugeordnet werden kann, ist separat auszuscheiden. Dadurch wird gewährleistet, dass der Forschungs- und Entwicklungsaufwand den entsprechenden Erträgen gegenübersteht und die betroffenen Patentboxgewinne entsprechend gekürzt werden können.
Fazit
Der zusätzliche F&E Abzug stellt für innovative Unternehmen eine attraktive Möglichkeit dar, um die eigene Steuerbelastung zu reduzieren. Zu empfehlen ist allerdings eine branchenspezifische und einzelfallbezogene Betrachtung.
13.04.2023, von MLaw Veysel Oruclar
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