Die Sitzverlegung eines Unternehmens in die Schweiz kann wie auch die Wohnsitzverlegung von natürlichen Personen – siehe dazu unseren separaten Fachartikel – sehr vielfältige Hintergründe haben: Die hohen Standards, die wirtschaftlichen Vorteile, das weltweit geschätzte Finanzumfeld, Gedanken hinsichtlich Prestige und Anerkennung, aber auch Gründe wie der Schweiz zugeschrie-bene Neutralität, Zurückhaltung und Verlässlichkeit.


1. Einführung: Eine Sitzverlegung einer ausländischen Gesellschaft in die Schweiz ist kein Ding der Unmöglichkeit, hängt jedoch zunächst wesentlich davon ab, ob das Recht des Wegzugsstaat eine solche Verlegung überhaupt zulässt. Kann dies bejaht werden, so kann ein Wechsel in die Schweiz meist betrieblich lukrativ sein; er sollte jedoch nicht durch Unerfahrenheit und Beratungslosigkeit teuer bezahlt werden müssen. Der Sitzverlegung aus dem Ausland in die Schweiz wohnen rechtliche und steuerliche Besonderheiten inne. Mit dem vorliegenden Artikel möchten wir Sie an das Thema der Sitzverlegung einer ausländischen Gesellschaft in die Schweiz aus Schweizer Sicht heranführen und Ihnen aufzeigen, dass mit professioneller Begleitung auch schwierig erscheinende Vorhaben strukturiert und ohne grosse Stolpersteine bewältigt und umgesetzt werden können.


2. Rechtliche Basis und Voraussetzungen: Gemäss Art. 161 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) kann sich eine ausländische Gesellschaft ohne vorgängige Liquidation und anschliessende Neugründung dem schweizerischen Recht unterstellen, wenn (1) das ausländische Recht dies zulässt, (2) die Gesellschaft die vom ausländischen Recht statuierten Voraussetzungen erfüllt und (3) die Anpassung an eine schweizerische Rechtsform möglich ist. Der zuletzt genannte Punkt ist insofern von grosser Bedeutung, als nicht alle auf der Welt existierenden Rechtsformen auch mit dem sogenannten Schweizer Numerus Clausus der Gesellschaftsformen kompatibel sind. Man spricht bei der Verlegung einer ausländischen Gesellschaft in die Schweiz ohne Liquidation und Neugründung gemäss Art. 161 IPRG auch von einer Immigration. Der Bundesrat kann zudem die Unterstellung unter das schweizerische Recht gestützt auf Art. 161 Abs. 2 IPRG unabhängig von den Bestimmungen des ausländischen Rechts zulassen, insbesondere wenn erhebliche schweizerische Interessen es erfordern.


3. Formalitäten: Die hiesige Sitznahme ist an eine Handvoll Formalitäten geknüpft und die Beibringung unterschiedlicher Originalbelege ist konstituierend für die rechtsgültige Sitzverlegung. Dies ergibt sich im wesentlichen aus dem IPRG (Art. 161) und der Schweizer Handelsregisterverordnung (HRegV, Art. 126).
Weichenstellend ist wie bereits eingangs erwähnt die Frage, ob das Recht des Wegzugsstaats eine Umwandlung in eine der Schweiz bekannte Gesell-schaftsform überhaupt zulässt oder nicht (sog. Zulässigkeit der grenzüber-schreitenden Sitzverlegung). Die Antwort erfolgt in Form einer Bewilligung des Eidgenössischen Justiz- und Poli-zeidepartement (EJPD, vgl. Art. 126 Abs. 2 lit. b HRegV), einer Erklärung des Schweizerischen Institut für Rechtsvergleichung mit Sitz in Lausanne (SIR/ISDC) oder durch eine Erklärung von legitimierten ausländischen Behörden, Institutionen oder dazu befähigten natürlichen Personen.
Vor dem Hintergrund des angesprochenen Numerus Clausus der Schweizer Gesellschaftsformen ist sodann die Einholung des Nachweises erforderlich, dass die Anpassung der ausländischen Gesellschaft an das schweizerische Recht möglich ist (sog. Nachweis der Anpassung an das schweizerische Recht gem. Art. 161 Abs. 1 i.V.m. 126 Abs. 2 lit. c HRegV). Eine ausländische Gesellschaft kann sich also aufgrund des Schweizer Typenzwangs nur dann dem Schweizer Recht unterstellen, wenn sie sich strukturell und typologisch dem Schweizer Recht anzupassen vermag. Um ein etwas problematisches, aber nicht aussichtsloses Beispiel zu nennen, kann hier die liechtensteinische Anstalt erwähnt werden, die in der Schweizer Rechtsordnung keine Entsprechung fin-det.
Kann die Frage der zulässigen Sitzverlegung und die Möglichkeit der Anpassung an das Schweizer Recht bejaht werden, so ist eine öffentliche Urkunde über ebendiese Sitzverlegung sowie über die Anpassung der Statuten an das schweizerische Recht notwendig; eingeschlossen ist ein beglaubigtes Exemplar der neuen Gesellschaftsstaututen. Die Prüfung letzterer folgt dabei der gleichen Examination wie bei einer Neueintragung ins Schweizer Handelsregister.
Sodann braucht es einen Auszug aus dem Handelsregister am Wegzugsort der Gesellschaft oder eine entsprechende beglaubigte und apostillierte bzw. überbeglaubigte Bescheinigung über den Bestand der in Frage stehenden Gesellschaft (vgl. Art. 126 Abs. 2 lit. a HRegV).
Aus Art. 162 Abs. 1 IPRG folgt das nächste Erfordernis, nämlich eine Bestätigung der Gesellschaftsverwaltung, dass der Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit tatsächlich in die Schweiz verlegt wurde. Um diesem Erfordernis Genüge zu tun, wird verlangt, dass die Gesellschaft zumindest über minimale Lokalitäten zur Ausübung der Verwaltungstätigkeit in der Schweiz verfügt.
Handelt es sich bei der verlegenden Gesellschaft zudem um eine Kapitalge-sellschaft, so hat gem. Art. 162 Abs. 3 IPRG ein zugelassener Revisionsexperte gem. Revisionsaufsichtsgesetz, RAG) zu bestätigen, dass das ausgewiesene Grundkapital der Gesellschaft gedeckt ist und die Sitzverlegung mit dem schweizerischem Recht vereinbar ist. Bei Personengesellschaften entfällt dieses Erfordernis.
Schliesslich sind zwei wichtige Erklärungen vorausgesetzt. So ist dies einerseits die sogenannte Lex Friedrich-Erklärung, mit der die Gesellschaft erklärt, dass sie nicht gegen das Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG, vgl. Art. 2 Abs. 1, auch Lex Koller genannt) verstösst und/oder sie keine Bewilligung im Sinne dieses Gesetzes benötigt. Das entsprechende kantonale Formular muss jenem kantonalen Handelsregisteramt übermittelt werden, wo die ehemals ausländische Gesellschaft ihren Sitz haben wird. Andererseits ist auch die sogenannte Stampa-Erklärung Kriterium für die rechtsgültige Sitzverlegung. Juristisch verankert ist sie in Art. 628 Abs. 2 Schweizer Obligationenrecht (OR) sowie in der HRegV. Mit der Stampa-Erklärung erklärt die Gesell-schaft, das Nichtvorhandensein von besonderen Vorteilsgewährungen oder -zusicherungen für die Gründer und dass keine anderen Sachwerte oder Verrech-nungstatbestände übernommen werden, als die aus den Handelsregisterbelegen und Statuten bereits ersichtlichen. Als Besonderheit ist hier anzumerken, dass bis vor kurzem die Stampa-Erklärung noch als separate Erklärung erfolgen musste. Mit der kürzlich in Kraft getretenen Revision der Handelsregisterverordnung (seit dem 1. Januar 2021; siehe dazu der Beitrag in der März Ausgabe unseres «KMU kompakt»), ist nicht mehr eine separate Erklärung einzureichen, sondern es genügt die entsprechende Erklärung in den Staututen oder Handelsregisterbelegen.
Die wohl herrschende Lehre in der Schweiz sieht für eintragungspflichtige Gesellschaften den tatsächlichen Eintrag ins Schweizer Handelsregister mit den vorgenannten erforderlichen Formalitäten als letzten erforderlichen Schritt der Sitzverlegung in die Schweiz und misst ihm insofern konstitutiven Charakter zu. Nicht eintragungspflichtige Gesellschaften wie Vereine oder Stiftungen ohne kaufmännisches Gewerbe hingegen unterstehen gem. Art. 162 Abs. 2 IPRG bereits dann Schweizer Recht, sobald der Wille zur Unterstellung unter Schweizer Recht deutlich erkennbar ist, eine genügende Beziehung zur Schweiz besteht und die Anpassung ans Schwei-zer Recht entsprechend Art. 161 Abs. 1 IPRG erfolgt ist.


4. Steuerfolgen
4.1. In der Schweiz: Eine Sitzverlegung in die Schweiz kann neben den rechtlichen Aspekten auch aus steuerlicher Sicht sehr attraktiv sein – und das für Gesellschaften aller Bran-chen. Die wohl wichtigste Besonderheit des Schweizer Steuersystems liegt nämlich in der Existenz der 26 souveränen Kantone mit je eigener Steuerhoheit. Dadurch bestehen in der Schweiz teilweise stark divergierende kantonale Besonderheiten in Bezug auf die Steuerpolitik, die es bei der Sitzverlegung in die Schweiz nicht zu unterschätzen gilt. Schweiz ist eben nicht gleich Schweiz. Entsprechend empfiehlt sich eine eingängige und einzelfallbezogene vorgängige Standortevaluation und Steuerplanung für die jeweilige Gesellschaft. Spezielles Augenmerk ist insbesondere auf die erheblich unterschiedliche kantonale Wirtschaftsförderung zu richten. Auch standortspezifische Anreize wie z.B. die sog. «tax holidays», d.h. Steuererleichterungen/-befreiungen für bis zu 10 Jahren für ansiedelnde und Arbeitsplätze schaf-fende Unternehmen, sind vor der Sitzverlegung in Erwägung zu ziehen.
Bei Immigration von Kapitalgesellschaften in die Schweiz stellen sich unter anderem weitere Fragen im Bereich Gewinn- und Verrechnungssteuern, stillen Reserven und Emissionsabgaben, die es vor der Sitzverlegung zu antizipieren gilt.

4.2. Im Wegzugsland: Auch im Wegzugsland können bei einer Sitzverlegung noch steuerliche Effekte eintreffen, die es – trotz u.U. bi- oder multilateralen Abkommen – unter keinen Umständen zu vernachlässigen gilt. So sehen zum Beispiel einige Länder eine Wegzugsbesteuerung, die allfällige Offenlegung von stillen Reserven oder eine Liquidationsbesteuerung vor. Ohne genaue und vor allem nicht auf den Einzelfall zugeschnittene Planung und Überlegungen kann die Sitzverlegung schnell zum Alptraum werden.
Unsere Erfahrung und unsere internationale Vernetzung erlaubt uns die erfor-derliche umfassende und pragmatisch-effiziente Beratung, damit die Durchführung Ihrer Sitzverlegung in die Schweiz zu einem vollen Erfolg wird. Wir laden Sie herzlich zur Kontaktaufnahme ein und freuen uns, Sie und Ihre Bedürfnisse kennen zu lernen.

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MLaw Veysel Oruclar
Advokat und Steueranwalt
T +41 61 555 13 20 | veysel.oruclar@atag-law.ch

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